Abpritzen ist nicht die Lösung

Abpritzen ist nicht die Lösung

Bruder, lass uns mal über Sex reden. Oder genauer gesagt über deine Lust und wie du damit umgehst.

Gerade liegt es ja stark im Trend, Freiheit zu suchen in dem, wie wir uns nach Außen geben. Sei das durch einen neuen Kleidungsstil, freizügige Sexualität, eine Geschlechtsumwandlung, grenzenlose Inklusion (und gleichzeitige Ausgrenzung Andersdenkender).

Ich möchte hier über unsere Sexualität reden. Wie wir als Männer damit umgehen können, heute in dieser Zeit, in der alles möglich zu sein scheint. Darüber, welche Konsequenzen unsere Aktionen haben können. Wieso es eine Illusion sein kann, dass freie, zügellose, polygame Sexualität das innere Verlangen stillt. Welche Möglichkeiten es gibt, den inneren Trieb nach Sex sich selbst zu Nutze zu machen, anstatt davon kontrolliert zu sein.

Mein Standpunkt erstmal vorweg: dein Potenzial findest du nicht, indem du regelmäßig mit drei Frauen gleichzeitig herummachst, um deine sexuelle Energie zu maximieren.

Wenn du an einen Mann denkst, der in einer offenen Beziehung lebt und zügellos seiner Sexualität Ausdruck verleiht, was löst das in dir aus? Vielleicht Neid, Vorurteile, Angst, Scham, Bewunderung?

Bei Männern spüre ich oft, dass Polygamie wie ein Statussymbol verwendet wird, um zu zeigen, dass man „weiter“ ist im Sexualleben. Womit man sich die Bewunderung der anderen Männer einholt und interessierte Fragen erntet, wie man das bloß in der bestehenden Beziehung hinbekommen hat. Fragen, die sich alle hinter dem Wunsch nach eigener Entfaltung verbergen.

Zu oft habe ich nun schon miterlebt, wie mir bekannte Beziehungen in einen offenen Status wechseln und der Mann diese Freiheit ausnutzt. Viel zu oft mündet diese neu gewonnene Freiheit in eine Art -Muss-, wodurch die Bedürfnisse der Partnerin vollkommen in den Schatten gestellt werden. Plötzlich ist es ja okay, mit anderen Menschen ebenso Beziehungen einzugehen. Und grundsätzlich ist es das auch – solange es auf konstanter Offenheit, Ehrlichkeit und Würde der eigenen Partnerin gegenüber basiert.

Als Mann sollte es dir klar sein, dass (sexuelle) Interaktionen außerhalb deiner Beziehungen das Potenzial haben, deine Beziehung zu belasten. Das Ja deiner Partnerin kann umschwenken zu einem Nein, wenn die Erfahrung der offenen Beziehung erst mal real erlebt wurde. Das Ja kann weiterhin richtig sein, ein völlig zügelloses Ausleben der Möglichkeiten bewirkt jedoch in den meisten Fällen tiefen Schmerz in deiner Partnerin.

Wahre Entfaltung innerhalb einer offenen Beziehung empfinde ich als einen langsamen Prozess, der Achtsamkeit benötigt. Als Mann darfst du erst mal lernen, deine sexuellen Energien in dir zu halten. Nicht beim ersten Jucken sofort kommen zu müssen.

Nur, weil du deine Beziehung öffnest und tun und lassen kannst, was du möchtest, bedeutet das nicht, dass du wahre Freiheit verspürst. Paradoxerweise kannst du Freiheit auch in den Bereichen finden, in denen du dich auf etwas festgelegt hast. Eine Kunst, die heutzutage, aufgrund der unendlichen Möglichkeiten, nur wenige junge Menschen noch beherrschen.

Wenn du dich auf einen Menschen festlegst, stehst du vor der Entscheidung, ob du deine Wünsche, Bedürfnisse und Begierden in dieser einen Beziehung aussprichst oder nicht. Da wird man plötzlich mit seinen Ängsten konfrontiert. „Was, wenn es dem anderen nicht gefällt“, „Was, wenn ich falsch bin“. Polygamie schenkt dir die Hintertür, diese Begierden einfach anderswo auszuleben. Sie schenkt dir die Möglichkeit, vor deinen Vorstellungen wegzulaufen. Angst vor Intimität. Scham.

Wenn du dich auf einen Menschen festlegst, schenkst du dir die Freiheit, tiefe Anteile in dir selbst zu transformieren. Du schenkst dir die Möglichkeit, Freiheit selbst zu kreieren, dort wo du dich zuerst selbst eingesperrt hast.

Sehnst du dich nach Analsex, hast aber Angst davor, es in deiner Beziehung auszusprechen, weil du abgelehnt werden könntest? Wenn du sofort in eine offene Beziehung stürmst, um dieser Begierde nachzugehen, nimmst du dir selbst die Möglichkeit, diese Freiheit in deiner jetzigen Beziehung zu entfalten. Denn die Angst, abgelehnt zu werden, ist immer noch da. Du hast sie bloß mit der Bestätigung eines anderen Menschen überdeckt.

Und genau das ist es, das deine Partnerin so sehr schmerzt. Dass du nicht die Eier hast, ihr offen zu sagen, wonach du dich sehnst und was du (mit ihr) erfahren möchtest – sondern dass du ausreißt und deine Begierden mit jemand anders befriedigst.

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