Tatsächlich. Auch Männer haben Zyklen, die sie nicht kontrollieren können und die rhythmisch, wie eine Hintergrundmusik unser Leben färben. Auf zwei ganz unterschiedliche Zyklen des Mannes gehe ich in diesem Beitrag ein.
Der Zyklus der Frau ist wohlbekannt. Unsere hypermaskuline westliche Kultur steht ihm jedoch vollkommen im Weg. Dieses Thema ist ein ganz eigenes, das es verdient, mit Anerkennung, Respekt und Ehrfurcht behandelt zu werden. In diesem Beitrag gehe ich ausführlich darauf ein.
Möglicherweise wissen die meisten um den täglichen Zyklus des Mannes. Morgens steigt der Testosteronspiegel stark an. Er sorgt bei gesunden Männern für erhöhte Blutversorgung im Intimbereich, einen Boost in Stärke, Produktivität und Lebensenergie. Bis um die Mittagszeit hält dieser hohe Spiegel an und gibt uns Männern das Gefühl, unsere Umwelt sprichwörtlicher penetrieren zu wollen.
Nachmittags sinkt die Menge an Testosteron im männlichen System sukzessive. Die hohe Spannung, die Vormittags aufrecht erhalten bleibt, nimmt hier ab und schön langsam überkommt den Mann ein Zustand der Entspannung.
Am Abend ist der Testosteronspiegel an seinem täglichen Tiefpunkt, dafür steigt der Oxytocinspiegel im Körper. Vorbereitung auf den Schlaf, höherer Bedarf an Kuschelmomenten und liebevoller Zeit mit der Geliebten. In dieser Zeit ist der Mann für die Frau am offensten für emotionalen Austausch und Verbindung, während er vormittags eher einen übersexuellen, impulsiven und positiv-aggressiven Eindruck hinterlassen kann. Abends ist also der perfekte Zeitpunkt, um emotionalen Bedürfnissen und Beziehungsthemen Raum zu verschaffen.
Ein weiterer Zyklus des Mannes, der meiner Erfahrung nach noch sehr im Unbewussten verweilt, ist der Jahreszyklus. So wie unsere Erde ihren fruchtbaren Höhepunkt im Frühjahr feiert, durchläuft auch der männliche Körper seinen Testosteronhöhepunkt zwischen März und April. Die Tierwelt pflanzt sich fort und bringt ihre Nachkommen zu Welt. Die Pflanzenwelt versprüht ihre Samen und lässt überall neues Leben sprießen. Wir Menschen sind nicht davon ausgeschlossen, sondern Teil dieses natürlichen Prozesses – unter Anderem in Form von erhöhter Potenz und sexueller Aktivität des Mannes.
Im Herbst, etwa um September, Oktober herum liegt der Testosteronspiegel des Mannes am Tiefpunkt. Unsere Natur lässt alles fallen, was in Vorbereitung auf die kalte und dunkle Zeit des Jahres nicht benötigt wird. Vor Einbruch des Winters neues Leben zu zeugen wäre für die Tier- und Pflanzenwelt unvorstellbar. Ebenso passt sich der Hormonhaushalt des menschlichen Mannes an. Ein hoher Sexualtrieb ist an diesem Punkt des Jahres einfach nicht so wichtig.
Nun darf man sich vorstellen, was das für unsere hypermaskuline Gesellschaft bedeutet. Um die kalendarische Jahreswende befinden wir uns bereits am halben Weg zum gesellschaftlichen Höhepunkt. Neue Projekte werden gestartet, das kollektive Männliche möchte die hormonell-energetische Kraft nutzen und frühere Grenzen durchdringen, penetrieren – oft ohne Rücksicht auf Verluste, da wir uns im Jahreszyklus dort befinden, wo sich der einzelne Mann morgens befindet. Der emotionale, verbindende Aspekt zwischen Mann und Frau kann hier zu kurz kommen. Wichtige Standfesten und Beziehungen, die für unser gesundes Leben nötig sind, werden aus den Augen verloren.
Zum Herbst hin liegt der gesellschaftliche Tiefpunkt vor der Tür. Das kollektive Männliche bewegt sich in den Rückzug, bereitet sich unter Umständen bereits jetzt vor auf den nächsten Höhepunkt in einem halben Jahr. Der Mann und die Gesellschaft tritt ein in das emotionale Reich. Es besteht die Möglichkeit, dass sich die männlich-dominierte Gesellschaft in eine Überemotionalisierung begibt und die männlichen Qualitäten der Stärke, des Rückhalts zu kurz kommen. Da die gesamte westliche Gesellschaft sich in diesem Tiefpunkt befindet, gibt es keinen ausgleichenden Faktor mehr. Wir schlittern in die gesellschaftliche Winterdepression.
Ich sehe ein menschliches Erdbild vor mir, auf dem männliche und weibliche Aspekte im Ausgleich stehen. Auf dem der Mann in seinem Frühling in die volle Gestaltung gehen kann, während die Frau die Möglichkeit hat, den ausgleichenden Aspekt der Verbindung herzustellen. Auf dem der Mann in seinen Winter gehen kann und die Verbindung, den Rückzug sucht, während die Frau ihn trotzdem an seine Pflichten des Stammhalters, der Rückgrats erinnert und ihm dadurch die Möglichkeit bietet, dass er in seine Position des Stammhalters und Rückgrats tritt.
So können wir die kreativen Qualitäten des Frühlings gemeinsam nutzen, ohne unsere Menschlichkeit über Bord zu werfen. So können wir die verbindenden Qualitäten des Winters nutzen, ohne unkontrolliert in eine kollektive Abwärtsspirale zu gelangen.
Doch damit nicht genug. Die Macht des menschlich-weiblichen Zyklus ist so groß, dass sich der männliche Zyklus sogar an diesen anpassen kann. So sind wir als Männer nicht nur mit dem irdisch-weiblichen Zyklus untrennbar verbunden, sondern in bewusster Beziehung auch mit dem menschlich-weiblichen Zyklus. Wie das aussehen kann, siehst du in diesem Beitrag.