Der weibliche Zyklus ist etwas heiliges. Er wird in unserer westlichen Kultur allerdings nicht so angesehen. Ich möchte dir eine Geschichte dazu erzählen.
Für ein junges Mädchen namens Marie aus der Großstadt ist es so weit. Sie geht ganz normal zur Schule, in der Pause muss sie zur Toilette. Plötzlich sieht sie, wie das Wasser im WC rot ist. Blut. Sie putzt sich ab, spült runter und ruft ihre Mutter an. Danach geht sie wieder zur Klasse, als wäre nichts gewesen.
Nach der Schule geht sie nach Hause und als sie die Tür öffnet, wird sie überrascht. Ihre beiden älteren Schwestern, ihre Mutter und die beiden Großmütter sind versammelt und begrüßen sie voller Freude. Sie feiern gemeinsam den Tag, an dem Marie in ihre Weiblichkeit eintritt. Sie sprechen von einer „Initiation“ in ihr Frau-Sein und darüber, wie sich ihr Leben von nun an verändern wird.
Als Frau anfang zwanzig lebt Marie in der nächstgrößeren Stadt. Sie arbeitet angestellt im Büro, etwa 30 Stunden pro Woche. Seit über 8 Jahren lebt sie nun schon mit ihrem Zyklus gemeinsam und organisiert ihr Leben nach ihm.
Mit dem Tag der Blutung tritt sie in ihren inneren Winter ein und sehnt sich nach Rückzug, Wärme und Geborgenheit. Sie weiß schon im Vorhinein, dass sie sich an solchen Tagen nichts Großes vornimmt, denn weder die Lust noch die Energie werden dafür vorhanden sein. Ihr Lebenspartner Max weiß, dass er zu Maries Winterzeit am besten für sie da sein kann, wenn er sie umsorgt, ein kuscheliges, aufgeräumtes Nest vorbereitet und Ruhezeit einplant.
Nach der Blutung kommt Marie in ihren Frühling. Volle Lebensfreude und Tatendrang sprühen wieder aus ihr heraus. Sie weiß, dass sie während ihrer Winterzeit gut auf sich selbst gesehen hat, wenn ihr Frühling sie förmlich sprießen lässt. Marie unternimmt viel, trifft Freundinnen und Familie. Max beglückt sich nun mit der überschwappenden Lebensfreude seiner Partnerin und tanzt mit ihr gemeinsam.
Zur Blüte ihres Zyklus, im Sommer, kommt die Lust in Maries Körper zum Zug. Marie liebt es zu lieben, sie liebt es zu geben und verkörpert die Qualität der gebärenden, gebenden Mutter in ihrer vollen Pracht.
Nach dem Sommer bricht der Herbst ein. Marie weiß, dass ihr Hormonhaushalt nun wieder zurückfährt, sie ihre Energien wieder auf sich fokussieren darf und dass es an der Zeit ist, sich auf den inneren Winter vorzubereiten. Wie die Natur im Herbst ihre Blätter fallen lässt, nimmt sich auch Marie vor, im Herbst abzulassen von dem, was sie für den neuen Zyklus nicht mittragen möchte. Denn sie weiß, dass jeglicher Ballast, den sie über den Winter hinweg mit sich trägt, immer schwerer und schwerer wird.
Auch in ihrer Arbeit werden ihre zyklischen Bedürfnisse berücksichtigt. Im Herbst, vor ihrer Blutung kümmert sie sich um Aufgaben, bei denen es keinen Kundenkontakt gibt und sie in Gelassenheit für Ordnung sorgen kann. Während der Tage ihres Winters geht sie in die bezahlte Freistellung. In ihrem inneren Frühling und Sommer bis zum Eisprung kümmert sich Marie um kundenorientierte, hoch-energetische Aufgaben. Diese fallen ihr leicht, alles andere wäre auch zu langweilig für sie.
So lebt Marie ihr Leben auf einer Erde, die den weiblichen natürlichen Zyklus versteht und ehrt. Auch wenn sie es nie anders kannte, überkommt sie jedes mal wieder ein Gefühl von tiefster Dankbarkeit, dass sie und ihr Körper so respektvoll angenommen werden. Denn sie weiß, dass Männer ihr zyklisches Wesen wohl nie so ganz verstehen werden – aber es anerkennen und den Lebensrhythmus daran anzupassen, das finden auch die Männer vollkommen logisch. Denn jeder Mann weiß, dass der Zyklus einer Frau aufregend, lebendig, traurig, voller Kraft, voller Schwäche und voller Anmut ist. Jeder Mann weiß, welch ein großes Geschenk die bloße Existenz einer zyklisch lebenden Frau in seinem Leben ist. Jeder Mann weiß, dass Natürlichkeit richtig ist.
Niemand aus unserer westlichen Gesellschaft zweifelt an den Einflüssen, die unser Erdenzyklus hat. Die schiere Macht von Mutter Erde zwingt unsere Körper dazu, sich ihr zu untergeben. Denn im Winter ist es nunmal so kalt, dass wir nicht mehr den ganzen Tag draußen am See sitzen können. Im Sommer beschenkt uns Mutter Erde so reichlich, dass wir wie magisch zu anderen Menschen hingezogen werden und so viel Zeit wie möglich in der Natur verbringen wollen um alle ihre Gaben förmlich aufzusaugen.
Warum zweifeln wir also am weiblichen Zyklus? Seine Einflüsse sind für die zyklische Frau mindestens so mächtig wie die Einflüsse von Mutter Erde auf uns alle. Der weibliche Zyklus zwingt die Frau, sich ihm zu ergeben. Frauen, die sich dem nicht ergeben wollen, die verhärten, vermännlichen, verbittern und erkranken. Sie leugnen einen natürlichen Teil ihrer Selbst in dem Versuch, die hypermaskulinen Qualitäten unserer Zeit zu verkörpern.
Es ist an der Zeit, den weiblichen Zyklus zum Thema für uns alle zu machen. Es ist an der Zeit für uns Männer, zu erkennen, dass der weibliche Zyklus existiert und das Leben von Frauen stark beeinflusst. Es ist an der Zeit, unser aller Leben nicht nur nach dem Erdenzyklus auszurichten, sondern auch nach all den individuellen weiblichen Zyklen auf unserer schönen Erde. Denn erst dann kann die Geschichte von Marie tatsächlich Form annehmen.
Danke Pacha Mama.